Psyche

1.  Einleitung

Jeder weiß, was man unter Psyche versteht. Die Griechen meinten, der Sitz der Seele würde sich dort befinden, wo wir die Psyche verorten. Im Laufe der Geschichte des Menschen suchte man so etwas wie Seele an unterschiedlichen Orten in unseren Körpern. Auch in der Blase.

Heute wissen wir so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit über die Funktion unseres Gehirns. Die moderne Wissenschaft hat sich darauf geeinigt, beide Fachgebiete zu trennen. Während die Neurologie sich mit dem Aufbau und dem körperlichen des Gehirns beschäftigt, sind die Psychiater für die Software unseres Gehirns zuständig. Dass viele Neurologen zusätzlich Psychiater sind, zeigt uns, dass die Trennung in der Praxis wenig Sinn macht.

Der Einfluss der Psyche auf den kompletten Menschen - besonders einen Menschen mit MS - ist unbestritten.

 

2.  Ist der größte Teil unseres Gehirns überflüssig?

 

Was wir heutzutage unter lernfähigen Computerprogrammen verstehen, kann unser Gehirn schon, seit es sich vom Stammhirn zum gewaltigsten Denkapparat eines Lebewesens auf unserem Planeten entwickelt hat.

Jetzt denkst du vielleicht: »Was soll mir das helfen, wenn ich richtig fassbare Löcher (Läsionen) im Kopf habe?«

Jeder staunt, wenn uns das Vorabendfernsehen von Wundern, von außergewöhnlichen Menschen und ungewöhnlichen Fähigkeiten berichtet. Und irgendwie glauben wir dann ein wenig daran.

Angeblich nutzen wir nur einen Bruchteil unseres Gehirns, was Spekulationen über paranormale Fähigkeiten schürt; allerdings nur im Vorabendprogramm. Wenn man unter Ausnutzung des Gehirns permanente Aktivität versteht, wird diese Annahme wohl stimmen.

 

Beweise dafür gibt es nicht. Dass unser Gehirn nach einem Unfall, der zerstörtes Hirngewebe zur Folge hatte, in der Lage ist, sich neu zu konditionieren, also Bereiche umzumodeln, um Verlorenes auszugleichen, ist Fakt, ist Tatsache.

Sieht es so aus, wenn alles rund läuft?

 

Nun fragt ihr euch vielleicht, warum so verhältnismäßig kleine Entzündungen, so große Auswirkungen für uns haben können, wenn wir gleich auf ein halbes Gehirn verzichten können, ohne dass man es uns ansieht. [1]Oliver Sacks, der wohl berühmteste Neurologe, der es wie kaum ein Zweiter verstand, neurologische Zusammenhänge allgemeinverständlich zu erklären, beschrieb in seinem wunderbaren Buch „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ Fälle unterschiedlichster Ausfälle des Gehirns. Während sich die Welt der Neurologie überwiegend mit der linken Gehirnhälfte beschäftigt, fand Oliver Sacks es wichtig, der rechten Gehirnhälfte zu Ansehen zu verhelfen.

In der rechten Gehirnhälfte sollen Emotionen und das nicht rationale Denken zuhause sein. Dieser Bereich scheint für die Bedeutung und Wichtigkeit eines Menschen als wertvolles Mitglied der Gesellschaft unwichtig zu sein. Einfacher: Wir brauchen es nicht zum Arbeiten, glaubt man!

Die Kuriosität der Geschichten Oliver Sacks zeigt jedoch anschaulich, wie wenig wir über die wahre Funktion des Gehirns wissen.

Somit ist es völliger Unsinn zu behaupten, wir würden nur ein paar Prozent des Organs Gehirn nutzen.

 

3.  Leitung kaputt

Kommen wir nun zurück zu unseren vergleichsweise kleinen Schädigungen im Gehirn. Wieso kann ein kleiner Entzündungsherd so eine große Wirkung entfaltenj?

Das ist auch recht einfach zu erklären. Denn es betrifft - wenn man den Computer wieder zugrunde legt - das Bussystem unseres Gehirns. Es werden nicht Speicher zerstört, sondern die Weiterleitung unserer Sinneswahrnehmungen und der Reaktionen darauf.

Im kognitiven Bereich können wir nicht schnell genug oder gar nicht auf unsere Speicher zugreifen.

Darunter leidet das Grundprogramm; unsere Psyche.

Wir verstehen mit einem Mal nicht mehr, wie wir funktionieren. Unsere Sinne täuschen uns, unsere Motorik funktioniert nicht mehr so, wie wir es schon im Kleinkindalter für alle Zeiten in unseren Denkspeichern abgelegt haben.

Somit muss unsere Psyche mit der neuen Situation klarkommen. Das kann zur Folge haben, dass wir uns neu programmieren müssen. Tun wir das nicht, werden die Reaktionen nicht zu dem neuen Zustand unseres Gehirns passen.

An dieser Stelle wird es richtig interessant! Was für ein Medikament könnte bei dem oben genannten Problem helfen? Wie sollte es funktionieren? Was für ein Medikament bringt uns bei, anders mit den eingeschränkten Möglichkeiten des Gehirns umzugehen? Keines natürlich!

Leider setzen wir in der modernen Medizin ausschließlich auf Pillen und tolle Operationen.

 

Wer´s glaubt, hat schon verloren!

 

Die Frage, die wir uns als Betroffene stellen sollten, ist: »Wie kann ich mich neu programmieren? Was muss ich neu lernen? Wie finde ich mein taubes Bein wieder?«

Da kommt unsere Psyche ins Spiel. Nur wir selbst können uns mit unserer rechten Gehirnhälfte verstehen, untersuchen und dann verändern.

Was aber, wenn die MS die Psyche auch verändert hat? Ob es die MS ist oder die veränderte Lebenssituation, spielt für einen Neurologen eine Rolle, für uns ist es belanglos.

Das Ergebnis ist immer dasselbe. Wir sind gefragt. Eigeninitiative ist das Zauberwort.

Jetzt denkt die eine oder der andere: »Verdammt, jetzt geht es mir schon so beschissen und ich soll auch noch ...!«

Genau!

Und wer jetzt tausend Gründe hat, warum er/sie nicht aktiv werden kann, der/dem sei gesagt, dass jeder für sein Leben selbst verantwortlich ist.

Was wir Psyche nennen oder Seele, wenn wir gläubig sind, ist das, was uns als Menschen ausmacht.

 

[1]   https://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Sacks