Romberg-Test

  1. Was ist das denn?

Es gibt Menschen unter uns, die diesen Test schon gemacht haben, ohne dass sie wussten, dass es sich dabei um einen neurologischen Standardtest handelt. Nur trug der Tester keinen Kittel, sondern eine Uniform und der Test fand im Freien auf einer öffentlichen Straße statt. Genau!

Er wurde bisweilen bei Alkoholkontrollen benutzt. Heutzutage muss man allerdings sofort in ein Röhrchen pusten, das dann den Alkohol in der Atemluft misst.  Zwischenzeitlich findet der Test nur noch in Hollywood-Filmen statt.

Wie bei Babinski und Underberg hat sich ein pfiffiger Neurologe, Herr Romberg, im 19. Jahrhundert mit diesem Test ein Denkmal gesetzt. Gleichgewichtsprobleme sind wohl mit die häufigsten MS-Symptome, die irgendwann während der Erkrankung auftreten. Wenn die Gleichgewichtsprobleme nicht offensichtlich sind, wird der behandelnde Neurologe den Romberg-Test bemühen. Leider bestehen viele Neurologen auf diesem Test, auch wenn er augenscheinlich überflüssig ist.

 

Nichtsdestotrotz gehört der Romberg-Test zu den Standarduntersuchungen in der Neurologie.

 

  1. Wie funktioniert der Test?

Zuerst muss man stehen können, um den Test überhaupt machen zu können. Ist diese erste Hürde genommen, sollen die Füße so nah es geht nebeneinander gestellt werden. Viele MS-Betroffene scheiden in dieser Phase bereits aus, nämlich jene, die schwanken oder diese Position nicht einzunehmen vermögen. Wer es bis hierhin jedoch geschafft hat, muss jetzt die Augen schließen und nach Möglichkeit die Arme ausstrecken, wobei die Handflächen nach oben weisen.

Nun sollten unsere Sinne geschärft sein, denn falls wir es schaffen sollten stehen zu bleiben, was zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist, könnte der Arzt beginnen uns zu schubsen. Zum Glück dringen MS-Betroffene nur selten bis zu dieser Phase des Tests vor. Nach einer zufällig sehr passablen Vorstellung, die meine Fähigkeiten an ihre Grenzen geführt hatten, bekam ich einen Stoß von hinten.

Gefällt wie ein Baum fiel ich nach vorn, zum Glück stand dort die Behandlungsliege. Der Neurologe, ein recht junger Vertreter seiner Zunft, verlor schlagartig seine Gesichtsfarbe. Ich konnte nicht einmal ein Bein nach vorn, in eine stabilisierende Position stellen, was den neurologen offenbar total irritierte.

Ich kann jedem Betroffenen nur dringend empfehlen, vor dem Romberg-Test den Neurologen auf bestehende Gleichgewichtsprobleme hinzuweisen.

 

  1. Und was bringt mir der Test?

Nix! Jedenfalls wenn die Diagnose „Multiple Sklerose“ bereits gesichert ist. Wenn der Test positiv ausfällt, – positiv heißt in diesem Zusammenhang, der Test bestätigt ein neurologisches Symptom – ist er ein deutliches Zeichen für Gleichgewichtstörungen. Behandelbar mit Medikamenten sind diese Symptome fast gar nicht. Im Frühstadium der MS stellen wir sie manchmal gar nicht richtig fest. Wir nehmen sie  dann eher als ein merkwürdiges Gefühl der Unsicherheit wahr. Nach dem Romberg-Test weiß der Neurologe Bescheid. Leider teilen Neurologen ihre Erkenntnisse meist lediglich mit einer Krankenakte, eher selten klären sie ihre Patienten über die Bedeutung des Testergebnisses auf.

Nun, Betroffene erahnen das Ergebnis meist besser als ein Arzt, denn sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn man im Stehen die Augen schließt und der Schwindel von einem Besitz ergreift.

 

  1. Funktioniert der Test immer?

Bei diesem Test kann man getrost davon ausgehen, dass er wirklich immer funktioniert. Solltet ihr noch von allen Seiten geschubst worden sein, habt ihr garantiert keine Gleichgewichtsprobleme.

 

  1. Fähigkeiten können Betroffene nur selbst einordnen!

Wer jetzt denkt, wie kommen die denn auf so eine Feststellung, dem möchten wir ein Beispiel geben. Stellt euch einen Hochseilartisten vor. Dieser Hochseilartist hatte viele Jahre seines Lebens damit verbracht, mit einer Augenbinde bekleidet über ein Hochseil zu laufen. Der Gleichgewichtssinn ist extrem geschult und im Gegensatz zu einem ungeschulten, gesunden Menschen in der Lage, Dinge zu tun, die Otto-Normalbürger nicht kann.

Wir wollen es nicht übertreiben, aber wahrscheinlich könnte dieser Artist auf einem Bein mit geschlossenen Augen die Arme nach vorn halten, ohne umzufallen, obwohl sein Gleichgewichtssinn krankheitsbedingt geschädigt ist. Das Gleiche gilt für den Fingerversuch bei Pianisten. Bestimmte Tätigkeiten, gerade bei Künstlern, benötigen gewisse Gehirnverschaltungen überhaupt nicht. Es ist Routine.

Die Betroffenen wissen natürlich ganz genau, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.

Den Neurologen kann es in diesen speziellen Fällen allerdings lange Zeit verborgen bleiben! Es ist daher immer die Aufgabe der Betroffenen, darauf aufmerksam zu machen, wenn sie über spezielle Fähigkeiten verfügen. Ein Leistungssportler kann mit spastischen, tauben oder schmerzenden Beinen immer noch mehr Leistungen vollbringen als ein gesunder Neurologe, der den ganzen Tag in seiner Praxis verbringt und Antisportler ist.

Wenn das bei euch so ist, funktioniert weder Romberg, Underberger noch Babinski oder die namenlosen Finger-Finger-, Finger-Nase-  und Hacke-Knie-Versuche.

Wenn ihr Spaß daran habt, könnt ihr die Tests natürlich üben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr vollständig gesund seid! Aber leider nur in den Augen der Neurologen, versteht sich.

Unser Gehirn hat die wunderbare Gabe, auch ohne die Sinne und Nervenreize, die in den oben genannten Tests geprüft werden, wahre Glanzleistungen aus unseren Körpern herauszuholen. Vieles hat sich  ein gesunder Körper antrainiert. Im Babyalter werden die motorische Grundlagen gelegt, die zu Automatismen werden.

MS-Betroffene müssen ihre Automatismen neu trainieren und die alten über Bord werfen. Das ist nicht leicht, aber durchaus möglich!

Und vor allem ist es sehr viel sinnvoller, als die falschen, beeinträchtigten Automatismen beizubehalten und stattdessen Medikamentenversuche zu starten, um ein falsches Verhalten weiter fortführen zu können.

 

  1. Zauberkunst, Lüge oder was?

Wir möchten euch ein Beispiel geben. Es ist meine ganz persönliche Erfahrung und als solche sehr subjektiv.

Nehmen wir einmal an, ihr könnt mittlerweile auf einer freien Fläche, ohne Punkte, an denen man sich festhalten und orientieren kann, nicht mehr frei stehen. Eure Hände sind spastisch, der Finger-Finger-Versuch geht mehr schlecht als recht. Ihr könnt einen Schlüssel in der Hosentasche nicht von einem Bonbon unterscheiden.

Nun seht ihr im Fernsehen zufällig auf einem Sportkanal Darts. Menschen schaffen es spitze Pfeile aus 2,75 m Entfernung in ein ganz kleines Feld zu werfen und das immer wieder. Ihr sagt euch: »Das will ich auch!«

Quatsch? Nein!

Es dauerte ein Jahr bevor die ersten drei Pfeile das erste Mal gemeinsam in einem großen Feld steckten. Die Würfe wurden aus dem Rollstuhl gemacht. Ein weiteres Jahr verging, bis die Würfe kontrollierter wurden und mittlerweile im Stehen mit einem Stock ausgeführt werden konnten. Hier ist zu erwähnen, dass ein Trainingspartner bereit war, auch stundenlang Darts zu spielen und der die Darts aus dem Board zog, da die knapp 3 Meter zur Wand nicht machbar waren.

Das dritte Jahr sollte nun ohne Stock nur mit einem Bauchgurt zu einer ersten sogenannten 180er-Aufnahme führen. Drei Darts in einem winzigen Feld, die »Tripple Zwanzig«, geworfen mit einer Hand, die die Darts nicht spürt, mit einem Arm, der beim Finger-Nase-Versuch konsequent durchfällt. An der Stelle, an der der Übende seit drei Jahren täglich steht, bringt er die Körperspannung auf, die Dartscheibe zu treffen, wie ein guter, gesunder Hobbyspieler nach 6 Monaten.

Wunder? Nein!

Endlose Wiederholungen, Ehrgeiz und Geduld. Das sind die Essenzen. Das kann jeder!

Wer nun loslegen will, dem seien Elektrodarts empfohlen, wenn die Wand, an der das Board hängt, nicht renoviert werden soll, bevor sich ein Erfolg einstellt.

 

  1. Tipps zur Vorsicht!

Ein gutes Verhältnis zum Neurologen ist von großem Wert, wenn ihr den Romberg-Test aus Forschungsgründen heraus so trainert habt, dass ihr ihn im Behandlungszimmer, wie ein Kunststück vorführen könnt.

Jede Kleinigkeit kann das Antrainierte im wahrsten Sinne des Wortes zu Fall bringen. Also, keine Experimente im Straßenverkehr, an Bordsteinkanten oder in Einkaufszentren.

Euer Neurologe kann durch standardisierte neurologische Tests zu völlig falschen Ergebnissen kommen.

Fortschritte im Bereich unserer Symptome funktionieren am Besten, wenn ihr euch ein Training aussucht, das euch richtig Spaß bereitet.

Keine Hemmungen vor komplexen Bewegungsabläufen haben!

Es funktioniert immer nur eingeschränkt unter Trainingsbedingungen! Das solltet ihr bedenken. Dennoch ist die gesamte Situation so Stück für Stück und nach und nach verbesserbar.