Diplopie / Doppeltsehen

  1. Häufiges Anfangssymptom

Es gibt nur wenige an MS erkrankte Menschen, die nicht von merkwürdigen Sehproblemen berichten. Dabei handelt es sich nicht um eine Sehnerventzündung, die wir ausführlich an anderer Stelle beschreiben.

Wer schon einmal einem Alkoholrausch erlebt hat, kennt vielleicht dieses Sehproblem als vorübergehende körperliche Auswirkung nach einer ausgelassenen Feier.

Es handelt sich um Doppelbilder.

Während ein Alkoholrausch die Koordination der Augenmuskeln beeinträchtigt, sind es bei uns Läsionen.

Das tückische bei diesem Symptom ist, dass es anfangs nur ganz kurz auftreten kann. Wir sind vielleicht überrascht, dass wir an einer Kreuzung beim Schulterblick nach links plötzlich Doppelte Autos auf uns zukommen sehen. Dann schütteln wir uns und es ist alles wieder in Ordnung.

In der Nachschau zu den Anfangssymptomen haben erfahrene »alte Hasen« herausgefunden, dass sie gestresst waren, als dieses merkwürdige Phänomen erstmals auftrat.

 

  1. Wie kommen die Doppelbilder zustande?

Diese Frage ist einfach zu erklären. Um unsere Augen bewegen zu können, haben wir Augenmuskeln, die das sehr akkurat erledigen. Diese Augenmuskeln werden über Nerven gesteuert.

Menschen gehören bestimmt nicht zu den Lebewesen mit den besten Sinnen auf der Erde, aber die Augen beispielsweise sind so angeordnet und gesteuert, dass wir räumlich sehen können. Dazu wird jedes Auge einzeln gesteuert und das Bild im Gehirn räumlich zusammengesetzt.

Solange wir geradeaus schauen, haben die Augenmuskeln wenig zutun, aber wehe wir bewegen sie zur Seite. Dann wird fokussiert, also scharf gestellt, und ausgeglichen und hin und her bewegt, was das Zeug hält.

Kleinste Lähmungen der Augenmuskulatur führen zu Verzögerungen oder Fehlstellungen. Und schon sehen wir doppelt statt räumlich.

Nehmen wir im Kino die 3D-Brille ab, können auch Gesunde das Phänomen beobachten und erfahren.

 

  1. Geht das wieder weg?

Ja und nein, ist, wie so häufig, die Antwort auf diese Frage. In vielen Fällen ist die Diplopie tatsächlich nur ein Anfangssymptom, das sich von selbst erledigt.

Vordergründig ist das so, es können aber Beeinträchtigungen zurückbleiben. Das trifft übrigens auf alle Symptome zu, sie können aber auch folgenlos verschwinden.

Einige Betroffene berichten davon, dass es immer mal wieder auftritt, wenn sie besonderen Belastungen ausgesetzt sind.

Womit wir wieder bei den ganz typischen MS-Problemen angekommen sind.

Wenn mir die Beine eingeschlafen sind, weil ich sie zu lange übereinandergeschlagen habe, kann ich auch keinen Sprint ansetzen. Sie brauchen eine Anlaufphase, bis sie wieder normal funktionieren.

So funktionieren auch unsere Augen. Je stärker sie belastet sind, umso schwieriger fällt es unserem Gehirn, die Lähmungen quasi wegzurechnen. Denn dazu ist unser Gehirn durchaus in der Lage.

Sind die Lähmungen zu stark, können die Doppelbilder dauerhaft vorhanden bleiben.

 

  1. Was ist zu tun?

Eine Empfehlung, die nicht sonderlich erfolgversprechend ist und auch nicht sehr schmückend, ist, eine Augenklappe zu tragen. Dummerweise ist es dann vorbei mit dem räumlichen Sehen.

Vorübergehend macht aber eine Augenklappe Sinn, denn wir müssen uns an den neuen Zustand unseres wohl wichtigsten Sinnes, des Sehens ,erst langsam gewöhnen.

Sollten die Doppelbilder nicht von selbst weggehen, gibt es andere Möglichkeiten.

Häufig landet man mit diesen Problemen bei einem Augenarzt. Der behandelt aber, wie der Name schon ausdrückt, Krankheiten des Auges. Unser Problem ist aber keine Augenkrankheit. Dennoch gibt es eine ganz spezielle Zunft, die sich mit unserem Problem beschäftigt:

Die Orthoptisten.

 

  1. Orthoptisten?

Die wenigsten kennen diesen speziellen Beruf der Orthoptik (griechisch für Geradesehen). Kinder sind häufiger von Augenfehlstellungen im sehr jungen Alter betroffen. Daher kennen junge Mütter und Väter eventuell diese schwer auszusprechende Berufsart. Jedenfalls ist es ein eigener Bereich der Augenheilkunde mit staatlichem Abschluss der Fachkräfte. So ist auch zu erklären, warum Augenärzte nicht in der Lage sind zu helfen. »Und was bringt mir das?«, fragt ihr euch jetzt sicher.

 

Eine schicke neue Brille mit Prismen. Diese Prismen schieben die Bilder wieder zusammen. Allerdings geht das nicht ganz perfekt, denn man kann in allen Richtungen Fehlbilder sehen. Oben, unten und rechts, links.

Meistens wird dann die horizontale Abweichung korrigiert, also rechts, links.

Je stärker die Prismen sind, umso unangenehmer das Sehen durch solch eine Brille.

Es besteht die Gefahr, dass uns schwindelig wird und die Anpassung ist alles andere als einfach.

Es gibt allerdings Folien, die man auf Brillen aufkleben kann, um erst einmal ein Gefühl für das Ergebnis zu bekommen.

Ein weiteres Problem ist die sich ständig ändernde Stärke des Phänomens Diplopie.

Das macht den Gang zum Orthoptisten unumgänglich.

 

  1. Tipps

Ruhe bewahren! Wenn Doppelbilder auftreten ruhig bleiben, denn du weißt jetzt, woher sie kommen und dass sie in aller Regel wieder verschwinden.

Langsame Augenbewegungen und keine schnellen Kopfbewegungen machen es einfacher, mit dem Phänomen umzugehen.

Häufiger am Tag die Augen ausruhen, indem man sie einfach ein paar Minuten schließt.

Augenintensive Tätigkeiten auf den Morgen verlegen, da die Augenmuskeln, wie alle anderen Muskeln auch, ermüden.

Nicht in Panik geraten, sondern dem Phänomen nachspüren. Wie sehe ich genau? In welcher Richtung ist es schlimmer?

Meide Menschengewusel in Einkaufszentren!

Versuche Teile deines Sehens auszuschalten. Also konzentriere dich auf ein Bild, obwohl du zwei siehst.

Stellst du Veränderungen fest, geh zum Neurologen!

Überweisung zum Orthoptisten besorgen?

Es handelt sich um keine Kleinigkeit, das Problem solltest  du ernst nehmen. Gerade mit anderen Koordinationsstörungen zusammen ist Diplopie sehr nervig und eine echte Einschränkung des täglichen Lebens.