Erste Zeichen
Heute bin ich mal gespannt, was die Anderen darüber erzählen, wie ihre MS losgegangen ist. | |
Wir hatten ja beim letzten Mal beschlossen... Gerald du bist ja ohne Rolli hier? |
|
Ich habe einen Parkplatz direkt vor der Kneipe ergattert. Was guckt ihr mich so an, dachtet ihr, ich könnte nicht aufstehen? |
|
Dass das ein bisschen merkwürdig ist, musst du schon zugeben! Zumindest für Außenstehende. |
|
Merkwürdig? Meint ihr etwa, wenn man sich in den Rolli setzt, darf man nicht mehr aufstehen? Was wisst ihr eigentlich über MS? Und ihr seid doch keine Außenstehenden, nur weil ihr besser laufen könnt,... |
|
Hui! Gerald ist aber schnell auf Schaum. Hoffentlich wird es nicht meine Aufgabe, die Gemüter zu beruhigen. Denise hat derweil die ganze Zeit an ihrem Handy herumgespielt, weshalb sie die kleine Diskussion nicht mitbekommen zu haben scheint. Dieses permanente Am-Handy-fummeln nervt. |
|
Ich kenne kaum MSler persönlich, Gerald. Für mich ist das schon neu! | |
Für mich nicht! | |
Die hat überhaupt nicht hochgeguckt. Diese Smartphones machen einen noch wahnsinnig. Da kann man auch gleich zuhause bleiben. |
|
Hast du überhaupt mitbekommen, worum es geht, Denise? | |
Wieso nicht? Ich bin multitaskingfähig. | |
Wollten wir nicht ein bisschen über den Anfang der MS plaudern? Die ersten Symptome, die jeder gespürt hat. Dabei lernen wir uns besser kennen. Fang du doch an, Denise. |
|
Vielleicht entspannt das die Atmosphäre. Und wir könnten auch erstmal Getränke bestellen. | |
Ok! Also, bei mir fing alles mit einer Sehnerventzündung an, was ich damals natürlich nicht wusste. Eines Morgens Ich bin dann zum Augenarzt gegangen und der hat natürlich nichts gefunden. Dummerweise hatte ich beim Arzt vollen |
|
Denise ist ja total aufgekratzt. Eben noch in der virtuellen Welt kann sie blitzschnell umschalten. | |
Der Schleier vor den Augen kam und ging wieder. Dann habe ich immer mit den Augen hin und her gerollt, als würde das was ändern. Vorbeigucken an dem Schleier war die ganz große Kunst. Und mit Kunst hatte ich es noch nie so. Irgendwann hatte ich mich an das Schleiersehen gewöhnt. Bis eine gute Bekannte sagte, es könne doch was Neurologisches sein. Ich ging also zu meinem Hausarzt und der gab mir dann endlich eine Überweisung zum Neurologen. Da war mir damals vielleicht mulmig! Da glaubte ich ja noch, dass Neurologen für Bekloppte da sind. Na ja, nicht Bekloppte, aber eben Leute, die auf die Couch gehören. Wer so alles in unsere Apotheke kommt! So ging das Ganze also los und dauerte, soweit ich mich noch erinnern kann, mindestens acht Monate, bis dann alles klar war. MS! |
|
Wie? Soweit du noch weißt? Ich kann mich noch an jeden einzelnen Tag erinnern und ich werde das auch garantiert nie |
|
Denise verzieht leicht die Mine, was ich gut verstehen kann, immerhin hörte sich das Ganze nicht wie Ponyhof an. Und |
|
Also ganz so war es ja nicht, Gerald. Es gab bis zur Diagnose noch genügend andere Merkwürdigkeiten, aber es ging |
|
Vielleicht mache ich jetzt weiter. Also, bei mir hat es einfach nur ständig gekribbelt. Erst dachte ich, es wären die neuen |
|
Das ist ja noch mal gut gegangen! Die sind ja ganz schön krass drauf hier. Ich werde jetzt nochmal auf den Treffpunkt |
|
Last uns doch bitte, bevor wir jetzt weitermachen, über den Treffpunkt sprechen. Ist das ok hier? Bestellt euch doch was |
|
Jetzt vertiefen sich alle in die Speisekarten und ich kann etwas durchatmen. Man, wenn ich gewusst hätte, wie schwierig Wäre gut, wenn nicht noch mehr kommen, bevor wir uns nicht etwas besser kennen. Geralds Bein zappelt unter dem |
|
Ich finde es gut hier. Vor allem das Salatangebot ist toll. |
|
Jetzt würde ich gern mal in die Köpfe schauen. Wenn es ums Essen geht, werden sie alle still! Das Bistro ist noch ziemlich |
|
Wie findet ihr eigentlich unseren Neuro? |
|
Noch vor dem Essen diese Frage! Es kommt alles so, wie ich es vermeiden wollte. |
|
Ich finde den ganz ok. Der hat auch rausgefunden, was ich habe. Manchmal könnte der ein bisschen zugänglicher sein. |
|
Ich nehme auch den Salat mit Hähnchenstreifen! |
|
Das Bistro hast du super ausgesucht, Franziska. Von mir aus können wir hier bleiben. |
|
Dass das doch Treffen so locker geworden ist, beruhigt mich. Gerald, als einziger Mann, hat einen schweren Stand in |
|
Unseren Neuro sollten wir außen vor lassen, oder? Wir lernen uns kennen, überlegen uns Themen, und wenn es |
|
Jetzt bist du aber mal dran, Franziska! Wie ist das bei dir denn losgegangen? |
|
Also! Bei mir war das so ähnlich wie bei Denise ... |
|
Ja, ja! Tausend Gesichter! |
|
... eigentlich auch irgendwie anders. Ich sah auch plötzlich nicht mehr richtig. Anfangs konnte ich nicht richtig Mitten in der Stadt, am Linnenbauer Platz, stand ich da und konnte keinen Schritt mehr tun. |
|
Haben die Beine auch schlappgemacht? |
|
Nein, nein! Ich sage dir, Gerald, ich stand da wie angewurzelt, jeder, der mir entgegen kam, schien mehrfach da zu sein. |
|
Wow! Das ist ja spooky! |
|
Hört sich krass an! |
|
Almuth sitzt da, als ginge sie das nichts an. Außer, dass sie nun schneller ihren Salat in sich hineinstopft, zeigt sie keine |
|
Das kannst du laut sagen, Gerald. Schwankend habe ich es bis zum Parkhaus zu meinem Auto geschafft, bin eingestiegen |
|
So, Leute! Ich muss jetzt leider los. In zwei Wochen wieder hier? |
|
Alle starren Almuth an. Die wird doch nicht wegen der Geschichte gehen? Ich sage besser nichts, wir können ja in zwei |
|
Ich mache mich auch mit auf den Weg. Aber beim nächsten Mal musst du unbedingt erzählen, wie es im Parkhaus |
|
Als hätte jemand in einen Hühnerhaufen geschossen, löst sich die illustre Gesellschaft in Windeseile auf. Ich kann nicht |
|
Kommt mir das nur so vor oder war da was bei Almuth nicht im Lot? |
|
Sie kommt mit dem Erzählen über Ausfälle nicht klar. Angst! Ich glaube, wir müssen vorsichtig sein, was wir erzählen. |
|
Gerade wollte ich fragen, ob Gerald nicht besser auf den Barhocker verzichtet, da versucht er schon den Hocker zu |
|
So lange kann ich stehen! |
|
Au man, der hat aber auch noch was aufzuarbeiten. Denise zwinkert mir zu. Wir haben jedenfalls alles richtig gemacht, |
|
Mist! Ich kann einfach nicht fragen! |
|
Gerald lächelt uns an, während er krampfhaft versucht, auf den Beinen zu bleiben. Was hat der sich dabei bloß gedacht? Als würden wir eine Kneipenleiche abschleppen, stützen wir Gerald rechts und links auf dem Weg nach draußen. So sind |